Haarausfall

Der Haarausfall (Effluvium, Haarlosigkeit: Alopezie) ist besonders bei Männern sehr weit verbreitet. Mit dem Alter nimmt die Häufigkeit stetig zu.

Die häufigste Art des Haarausfalls ist die „androgenetische“ Alopezie. Sie führt zu einem zunehmenden Haarausfall mit meist charakteristischem Muster. Bei den meisten Betroffenen bilden sich zunächst Geheimratsecken, die sich immer weiter ausbreiten. Dann kommt es zu einem zunehmenden Haarausfall im Bereich des Hinterhauptes. Schließlich verschiebt sich der Haaransatz immer weiter nach hinten, bis sich eine Stirnglatze gebildet hat. In einigen Fällen entwickelt sich auch primär eine Hinterhauptsglatze.

Weitere Haarausfallsformen sind die Alopezia areata (kreisrunder Haarausfall) und der meist diffuse Haarausfall bei Nährstoffmangel (hauptsächlich Eisen), nach Krankheiten oder Medikamenteneinnahme (z. B. Chemotherapeutika) oder hormonellen Störungen (z. B. Schilddrüsenunterfunktion).

Wie kommt es zum Haarausfall?

Die Haare werden in so genannten Haarfollikeln gebildet. Das Haarwachstum ist generell einem Zyklus unterworfen, der von wachstumsfördenden und -hemmenden Faktoren beeinflusst wird. Aufgrund dieses Zyklus erneuern sich die Haare beim Gesunden regelmäßig.

Der Zyklus beginnt mit einer Wachstumsphase (Anagenphase), die sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinstreckt. Irgendwann gehen die Haare in eine mehrwöchige Ruhephase (Katagenphase) über, um dann innerhalb einiger Wochen bis Monate in der Telogenphase abgestoßen zu werden. Bei gesunden Haarfollikeln wird in dieser Phase bereits ein neues Haar nachgebildet.

Aufgrund der Unterschiede in der Dauer der einzelnen Phasen befinden sich beim Gesunden über 80 Prozent der Haare in der Anagenphase. Das Verhältnis von Anagen- zu Telogenhaaren ist ein wichtiges diagnostisches Kriterium (s. unten). Im Rahmen des Zyklus fallen beim gesunden Menschen pro Tag bis zu 100 Haare aus.

Die androgenetische Alopezie ist direkt auf eine verstärkte Wirkung von Hormonen (Androgene, besonders Dihydrotestosteron) auf die Haarfollikel zurückzuführen. Die betroffenen Menschen haben dabei aber keinen erhöhten Testosteronspiegel, vielmehr scheinen die Haarfollikel verstärkt auf dieses Hormon zu reagieren. Unter dem Einfluss der Androgene gehen vermehrt Haare in die Telogenphase über und fallen aus. Es werden dann jedoch keine neuen Haare nachgebildet. Die Folge ist eine zunehmende Abnahme der Haardichte bis hin zur Glatzenentwicklung.

Die Alopecia areata führt zu einem sehr akuten Haarausfall. Er kann sich von kleinen kreisrunden Arealen bis zum Ausfall der gesamten Körperbehaarung ausdehnen (Alopecia universalis) und ist nach heutigen Erkenntnissen Folge eines Autoimmunprozesses. Dabei greift das Immunsystem aus bisher ungeklärter Ursache körpereigene Strukturen – in diesem Fall die Haarfollikel – an und schädigt diese.
Nach schweren Erkrankungen werden kurzzeitige meist minderschwere, diffuse Phasen von Haarausfall recht häufig beobachtet. Diese sind bilden sich aber wieder zurück und erscheinen für den Betroffenen zwar besorgniserregend, sind jedoch in der Regel harmlos. Reversibel sind auch die Haarverluste bei den sehr seltenen Nährstoffmangelerkrankungen und nach Chemotherapien.

Wie wird der Haarausfall diagnostiziert?

Da es beim Menschen auch im Gesunden zu einem steten Haarausfall kommt, ist die Diagnose „Effluvium“ oft nicht einfach. Erschwerend kommt hinzu, dass Patienten den eigenen Haarausfall aus Angst vor Glatzenbildungen oder auch im Rahmen psychischer Erkrankungen (Neurosen, Depressionen) oftmals stärker erleben und darstellen, als es nach objektiven Gesichtspunkten der Fall ist.
Grundsätzlich steht am Anfang der Diagnostik daher ein eingehendes Gespräch mit dem Patienten. Dazu sollte nach Vorerkrankungen gefragt werden, eine genaue Erhebung über eingenommene Medikamente ist unerlässlich. Anschließend wird die Stelle des Haarausfalls untersucht, dabei wird auch die Zugfestigkeit des Haars überprüft. Eine typische Alopecia areata kann von erfahrenen Untersuchern bereits mit bloßem Auge erkannt werden.

Auch eventuelle Pilzerkrankungen oder Ekzeme, die ebenfalls seltene Ursachen für den Haarausfall darstellen, können dann erkannt werden. Blutuntersuchungen sollten den Eisenspiegel und die wichtigsten Hormone kontrollieren.

Zur Quantifizierung des Haarausfalls werden dann über einen Zeitraum von mehreren Tagen die ausgefallenen Haare gesammelt und gezählt. Bestätigt sich der Verdacht auf ein Effluvium, so sollte ein „Trichogramm“ erstellt werden. Dazu werden 50 Haare an einer betroffenen und einer nicht-betroffenen Stelle in Wuchsrichtung entfernt und mikroskopisch betrachtet. Es erfolgt dann eine Einteilung in Anagen- und Telogenhaare.

Das Trichogramm darf aus Standardisierungsgründen erst nach einer fünftägigen Haarwaschpause angefertigt werden. Neuerdings ist ein computergestütztes Verfahren (Trichoscan) verfügbar, bei dem ein etwa zwei Quadratzentimeter großes Areal abrasiert wird und drei Tage später mit einer mikroskopischen Kamera fotografiert wird. Aus dem Wachstum kann ein Programm dann das Telogen/Anagen-Verhältnis zuverlässig errechnen. Es entfällt die unangenehme Zeit, in der die Haare nicht gewaschen werden dürfen und das recht schmerzhafte Herausziehen der Haare.
Nur bei speziellen Fragestellungen oder unklaren Fällen wird eine Gewebeprobe mit anschließender feingeweblicher Aufarbeitung entnommen.

Was tun bei Haarausfall?

Zunächst ist es wichtig, die Art des Haarausfalls exakt einzugrenzen. Hormonelle Störungen und Mangelzustände müssen selbstverständlich behoben werden und führen dann rasch zu einer Besserung der Symptomatik.

Bei medikamentös bedingtem Haarausfall ist das Medikament je nach Wichtigkeit abzusetzen oder umzustellen (Ausnahme: Chemotherapie!).

Die androgenetische Alopezie bei Männern hat an sich keinen Krankheitswert. Sie wird jedoch von vielen Männern als erhebliche Einschränkung ihrer Lebensqualität empfunden. Eine wirksame Therapie ist die Gabe von Finasterid in einer Dosierung von 1 mg pro Tag. Dieses Medikament verhindert die Bildung des für das Effluvium bedeutsamen Dihydrotestosteron. Laut Angaben des Herstellers vermag das Medikament in über 80 Prozent der Fälle den Haarausfall zu stoppen, in über 60 Prozent sogar Neuwachstum anzuregen. Die 5-Alpha-Reductase-Hemmstoffe wurden ursprünglich zur Therapie der gutartigen Prostatavergrößerung entwickelt, wo sie auch heute noch eingesetzt werden. Es existiert ein Präparat, das als Wirkstoff 5 mg Finasterid enthält.

Aufgrund der Tatsache, dass die Krankenkassen die Therapiekosten in der Regel nicht übernehmen, kann es für den Patienten deutlich günstiger sein, täglich eine geviertelte Tablette des Prostatapräparats einzunehmen. Da beide Medikamente in Deutschland verschreibungspflichtig sind, kann eine solche Praxis nur nach Absprache mit dem Arzt erfolgen.

Wirksam scheint auch das lediglich zur äußeren Anwendung bestimmte Minoxidil zu sein. Seine Wirkung beruht auf einer Steigerung der Durchblutung der Haarfollikel. Eventuell kann es sogar die Aussprossung neuer Gefäße begünstigen. Aufgrund des zum Finasterid anderen Wirkprinzips können beide Präparate sinnvollerweise wirkungsverbessernd kombiniert werden. Insgesamt ist die Therapie der androgenetischen Alopezie relativ nebenwirkungsarm, sieht man mal vom Loch im Geldbeutel ab. Eine Abnahme der Libido und der Erektionsfähigkeit kommen gelegentlich vor, die Entwicklung einer weiblichen Brust ist eher selten zu beobachten.

Der Aldosteronantagonist Spironolacton – beziehungsweise dessen wirksames Stoffwechselprodukt Canrenoat – scheint aufgrund gewisser antiandrogener Eigenschaften ebenfalls bei der androgenetischen Alopezie von Männern wirksam zu sein. Sein Einsatz verbietet sich aufgrund der möglicherweise fruchtschädigenden Wirkung bei Frauen. Insgesamt ist die androgenetische Alopezie bei Frauen zwar seltener, aber deutlich problematischer als bei Männern. Dies liegt zum einen darin begründet, dass der Haarverlust bei Frauen gesellschaftlich weniger akzeptiert ist, zum anderen sind die therapeutischen Möglichkeiten aufgrund der komplexeren sexualhornonellen Situation begrenzter. Mit einigem Erfolg werden dennoch Antiandrogene eingesetzt, meist als Bestandteil von Antikontrazeptiva („Pille“).
Schwierig ist auch die Therapie der Alopecia areata. Der Verlauf dieser Erkrankung ist nur schwer abzuschätzen. Zeitweilige Besserungen und dauerhafte Ausheilungen kommen genauso vor (sogar recht häufig) wie ein rascher Wechsel zur Alopecia universalis.

Die Therapie beschränkt sich aufgrund des Fehlens von ursächlichen wirkenden Medikamenten auf Unterdrückung der örtlichen Entzündungen durch äußere oder innere Anwendung von Cortison. Gelegentlich wird versucht, durch gezielte medikamentöse Auslösung eines allergischen Ekzems das Immunsystem abzulenken. Die Erfolge sind leider meist nur von begrenzter Dauer.

Die chirurgische Transplantation ist eine wirkungsvolle Methode bei Haarausfall jeder Art (ausgenommen Alopecia universalis). Meist werden dabei Haare mitsamt Haut aus dem Nacken entnommen und an die gewünschte Stelle transplantiert. Die Anwendung ist selbstverständlich durch die Fläche der zur Verfügung stehenden Haut limitiert. Bei großflächigen Alopezien ist sie daher ungeeignet. Zudem handelt es sich um eine ausgesprochen aufwändige, mitunter recht schmerzhafte und nicht zuletzt sehr teuere Behandlungsmethode.


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