Osteoporose
Unter Osteoporose versteht man einen allgemeinen Verlust von Knochensubstanz.
Die Osteoporose ist eine wahre Volkskrankheit. Man schätzt, dass etwa die Hälfte aller Frauen und etwa jeder fünfte Mann im Laufe ihres Lebens an einer Osteoporose erkranken. Wahrscheinlich liegt die tatsächliche Zahl insbesondere bei Männern sogar noch höher. Die Osteoporose ist in der Regel eine Erkrankung des mittleren bis fortgeschrittenen Alters, sie kommt aber auch bei jüngeren Patienten vor.
Die Osteoporose bedingt einen zunehmenden Stabilitätsverlust der Knochen, so dass es zu einem erhöhten Knochenbruchrisiko kommt. Besonders im Bereich der Wirbelsäule wird von den Patienten häufig über mitunter starke Schmerzen berichtet, die als Folge von winzigen Knochenbrüchen („Mikrofrakturen“) angesehen werden können.
Für ein besseres Verständnis der Erkrankung ist das Wissen um einige grundlegende Vorgänge des Stoffwechsels im Knochen unumgänglich.
Kurze Einführung in den Knochenstoffwechsel
Im Gegensatz zur weitläufigen Meinung ist Knochen kein „endfertiges“ oder gar totes Gebilde, sondern er unterliegt stetigen Auf- und Abbauprozessen, wobei sich ein dynamisches Gleichgewicht einstellt. Bis etwa zum 40. Lebensjahr ist dieses Gleichgewicht auf die Seite des Knochenaufbaus verschoben, so dass sich die Knochendichte in diesem Zeitraum kontinuierlich erhöht. Nach dem 40. Lebensjahr nimmt die Knochendichte dann bei jedem Menschen wieder ab. Der Abbau ist bei Osteoporosepatienten jedoch deutlich beschleunigt.
Knochen besteht zu etwa einem Drittel aus organischer Substanz. In dieses Grundgerüst („Matrix“) sind anorganische (kristalline) Verbindungen (v. a. kalziumhaltiges Hydroxylapatit) eingelagert. Durch diese besondere Kombination aus anorganischen und organischen Materialien und der Struktur der Knochenbälkchen erreicht der Knochen seine außergewöhnliche Stabilität bei gleichzeitig genügender Biegsamkeit.
Der Knochenstoffwechsel wird durch eine komplexe hormonelle Steuerung im Gleichgewicht gehalten. Zudem ist der Knochen ein wichtiges Speichermedium im Kalziumhaushalt. Im Wesentlichen wirken auf den Knochenstoffwechsel das in der Nebenschilddrüse gebildete Parathormon, das in der Schilddrüse gebildete Calcitonin, die Sexualhormone Östrogen und Testosteron sowie das Vitamin D. Die Hormone beeinflussen teilweise direkt den Kalzium- und Phosphateinbau in den Knochen bzw. deren Aufnahme und Ausscheidung in Darm und Niere, teilweise steuern sie die Aktivität der knochenaufbauenden (Osteoblasten) und -abbauenden Zellen (Osteoklasten).
Wie kommt es zur Osteoporose?
Die Ursachen der Osteoporose sind vielfältig. Es gibt eine ganze Reihe von Erkrankungen, die eine Osteoporose nach sich ziehen können. Dazu zählen neben hormonellen Störungen auch Erkrankungen der Niere und des Magen-Darm-Traktes. Zudem ist eine Osteoporose eine recht häufige Nebenwirkung von bestimmten Medikamenten (Heparine, Cumarin-artige Medikamente, Cortison-haltige Präparate und Medikamente gegen Krampfanfälle wie Valproat).
Kann eine eindeutige Ursache gefunden werden, so spricht man von sekundärer Osteoporose. Leider gelingt dies in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nicht. Eine gesicherte Erkenntnis ist, dass sich Bewegungsmangel abbauend auf die Knochensubstanz auswirkt. So findet man auch bei jungen Menschen nach einer – beispielsweise im Rahmen eines Knochenbruchs nötigen – mehrwöchigen Ruhigstellung gelegentlich Zeichen einer Osteoporose. Auch bei Lähmungen entwickelt sich zwangsläufig eine Osteoporose in den betroffenen Knochenabschnitten.
Der Abfall des Östrogenspiegels bei Frauen nach den Wechseljahren gilt nach heutiger Sicht als bedeutender Faktor für die Entstehung der Osteoporose und ist zumindest teilweise für den deutlich höheren Frauenanteil der Erkrankung verantwortlich.
Ernährungsfaktoren scheinen bei der Osteoporose ebenfalls eine Rolle zu spielen. Eine Kalzium- und Vitamin-D-reiche Ernährung, wie sie durch den Verzehr von Milchprodukten gewährleistet wird, scheint einen gewissen schützenden Effekt zu haben. Zudem werden sowohl Kalzium als auch Vitamin D therapeutisch bei bereits bestehender Osteoporose angewendet. Dadurch kann das Fortschreiten der Erkrankung in vielen Fällen verhindert oder zumindest verlangsamt werden.
Wie äußert sich die Osteoporose?
Leitsymptom der Erkrankung ist der diffuse, dumpfe Knochenschmerz, insbesondere im Bereich der Wirbelsäule. Gelegentlich wird die Erkrankung auch im Rahmen eines frischen Knochenbruches auffällig. Typisch für den osteoporotisch veränderten Knochen ist die Verringerung der Belastbarkeit, so dass es bereits ohne oder bei geringfügigen Belastungen (Bagatellverletzungen bei z. B. Stolpern, Abstützen mit der Hand, Husten) zu Knochenbrüchen kommen kann.
Mediziner sprechen bei Brüchen, bei denen ein Missverhältnis zwischen Ausmaß der Verletzung und der zugrunde liegenden mechanischen Kraft besteht, von einer pathologischen (krankhaften) Fraktur. Besonders häufig sind Brüche im Bereich der handgelenknahen Speiche, der Wirbelkörper, des Oberarmknochens und des Oberschenkelhalses.
Wirbelfrakturen können schleichend verlaufen und werden von den Patienten häufig nicht einmal bemerkt. Typisch sind Deckplatteneinbrüche mit anschließendem Zusammensacken („Zusammensintern“) des Wirbelkörpers. Dabei kommt es zur charakteristischen Fisch- oder Keilwirbelformation. Das Zusammensintern der Wirbelkörper geht mit einem teilweise deutlichen Verlust an Körpergröße von mehreren Zentimetern einher. Wenn ein alter Mensch über das Gefühl berichtet, er schrumpfe, so sollte man daher primär nicht an seiner Wahrnehmung zweifeln, sondern an osteoporotische Wirbelfrakturen denken. Der Verlust der Körperhöhe führt auch zum Absinken des Brustkorbes. Dadurch kann es beim Seitwärtsneigen zu einer schmerzhaften Berührung der unteren Rippen mit dem Beckenkamm kommen. Keilwirbel sind Grundlage der bei alten Osteoporosepatienten häufig zu beobachtenden Buckelbildung. Medizinisch wird dies als „anguläre Kyphose“ bezeichnet.
Wie wird die Osteoporose diagnostiziert?
Die Diagnose stützt sich zunächst auf die Befragung des Patienten, an die sich eine körperliche Untersuchung anschließt. Eine eindeutige Diagnose kann in der Regel anhand einer konventionellen Röntgenaufnahme der schmerzhaften Region gestellt werden.
Für das therapeutische Vorgehen bedeutsam ist das Feststellen des genauen Ausmaßes der Osteoporose, dazu eignet sich die Knochendichtemessung (Densitometrie). Densitometrische Untersuchungen werden auch zu Verlaufsbeobachtungen und Therapieerfolgskontrollen herangezogen. Zumindest der Kalzium- und Phosphathaushalt des Patienten sollte anhand einer Blutuntersuchung beurteilt werden.
Eine eingehende Erhebung der regelmäßigen Medikation ist unbedingt erforderlich. Weitere Untersuchungen hinsichtlich der Osteoporose zugrunde liegender Erkrankungen werden in der Regel nur bei begründetem Verdacht durchgeführt, da ein „Rundumschlag“ aufgrund der großen Bandbreite bei gleichzeitiger Seltenheit der einzelnen Erkrankungen nicht kosten- und zeiteffizient möglich ist.
Welche therapeutischen Optionen gibt es?
Selbstverständlich müssen Osteoporose-auslösende Medikamente, sofern man sie in der Medikation des Patienten identifizieren konnte, abgesetzt werden. Besteht eine sekundäre Osteoporose, so sollte nach Möglichkeit versucht werden die auslösende Grunderkrankung effektiv zu behandeln. Ein Rückgang der osteoporotischen Veränderung ist dann möglich.
Bei allen primären Osteoporosen richtet sich die Therapie nach einem von der WHO vorgeschlagenen Stufenplan. Dieser Stufenplan orientiert sich an Alter, Geschlecht sowie Ausmaß der Osteoporose. Hierzu werden Befunde der Densitometrie genauso wie eventuell bereits eingetretene Frakturereignisse herangezogen.
Grundsätzlich gilt, dass Patienten mit Osteoporose sich nach Möglichkeit aktiv sportlich betätigen sollten. Aufgrund der erhöhten Knochenbrüchigkeit kommen selbstverständlich nicht alle Sportarten in Frage. Günstig ist das Schwimmen, da im Wasser auf den Körper nur verminderte Kräfte einwirken. Die Medikamentöse Therapie sieht zunächst regelmäßige Kalzium und Vitamin-D-Gaben vor. Weiter fortgeschrittenere Erkrankungen können gegebenenfalls mit Calcitriol behandelt werden. Biphosphonate, die die Aktivität der Osteoklasten hemmen, scheinen sich positiv auf den Erkrankungsfortschritt auszuwirken. Sie können zur Wirkungssteigerung auch intravenös verabreicht werden.
Bei Frauen nach den Wechseljahren wurde lange Zeit eine dauerhafte Hormonersatztherapie (HRT) mit Östrogenen durchgeführt. Die Therapie ist jüngst durch die Ergebnisse mehrerer neuer Studien in Verruf geraten, die über ein erhöhtes Brustkrebsrisiko und auch ein minimal erhöhtes Schlaganfallrisiko berichteten. Eine der Studien wurde daher sogar vorzeitig abgebrochen. Nun sollte die HRT nicht grundsätzlich verteufelt werden. Es ist jedoch ratsam, die Indikation zur HRT sehr streng zu stellen, beispielsweise dann zur HRT zu raten, wenn zusätzlich massive Wechseljahrsbeschwerden vorliegen. Man sollte auch in regelmäßigen Abständen Auslassversuche unternehmen und die HRT nicht kritiklos jahre- und jahrzehntelang fortführen.
Eine adäquate Schmerztherapie, die sich peripherer Schmerzmittel wie Diclofenac oder Ibuprofen, aber bei schweren Schmerzen auch hochwirksamer Opiate bedient, gehört ebenfalls zur therapeutischen Strategie. Die Therapie wird durch krankengymnastische und manualtherapeutische Maßnahmen komplettiert. Diese dienen vor allem der Beweglichkeit und der Lösung von Verspannungen und Muskelverkürzungen, die im Rahmen der Körpergrößenminderung auftreten. Frakturen müssen selbstredend nach unfallchirurgischen Maßstäben versorgt werden.