Darmkrebs
Darmkrebs ist in westlichen Industrienationen eine der häufigsten Krebsarten und die Anzahl der Erkrankungen nimmt von Jahr zu Jahr zu.
Der Dickdarmkrebs (Colonkarzinom) entwickelt sich stets auf dem Boden gutartiger Geschwulste, der Adenome. Dabei kommt es im Laufe dieser Umwandlung zu einer Reihe von bekannten Veränderungen im genetischen Code der Zellen der Darmschleimhaut. Wodurch diese Veränderungen ausgelöst werden, bleibt jedoch unklar. Es existieren eine Reihe von Hypothesen, die ernährungsbedingten Faktoren, Stuhlgewohnheiten und Umweltfaktoren eine Bedeutung zumessen. Letztlich kann keine dieser Hypothesen eine einzig verantwortliche Ursache liefern, weswegen ein „multifaktorielles“ Geschehen angenommen wird. Nur bei wenigen, seltenen Darmerkrankungen ist das Auftreten von Colonkarzinomen mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit gesichert. Der wichtigste Vertreter ist dabei die Familiäre Adenomatöse Polyposis (FAP), bei der es aufgrund eines vererbten Defekts zu vielen (über 50) Adenomen kommt, die bereits im frühen Erwachsenenalter bösartig entarten. Bei diesen Patienten wird daher zu einer vollständigen prophylaktischen Entfernung des Dickdarms geraten.
Glücklicherweise sind bösartige Geschwulste des Dünndarms eine Seltenheit, so dass im weiteren Verlauf lediglich auf das Colonkarzinom eingegangen wird.
Welche Symptome verursacht der Darmkrebs?
Das heimtückische am Darmkrebs ist, dass er in frühen Stadien entweder gar keine oder nur sehr geringe Symptome verursacht. Schmerzen oder Verdauungsstörungen werden nur selten berichtet. Einen Hinweis liefern Veränderungen der Stuhlgewohnheiten. Ein klassisches Zeichen sind in diesem Zusammenhang Durchfälle, die mit Phasen der Verstopfung abwechseln (paradoxe Diarrhoe). Das wichtigste Symptom sind dabei Blutbeimengungen im Stuhl. Diese sind jedoch nicht spezifisch und kommen auch bei einer ganzen Reihe anderer Erkrankungen wie Hämorrhoiden, Divertikel und chronisch entzündlichen Darmerkrankungen vor.
Häufig bemerken die Patienten einen Gewichtsverlust von über 10 % des Körpergewichts, für den sie keinen Grund kennen. Fieber oder vermehrtes nächtliches Schwitzen kommen gelegentlich hinzu.
Aufgrund der relativen Symptomarmut kommt den routinemäßigen Vorsorgeuntersuchungen die größte Bedeutung zu.
Wie sieht die Vorsorgeuntersuchung aus?
Ab dem 40. Lebensjahr wird die jährliche Vorsorgeuntersuchung für Dickdarmkrebs empfohlen und auch von den Krankenkassen bezahlt.
Zur Vorsorge werden vor allem zwei Methoden angewendet. Einerseits werden mit dem Hem-Occult-Test drei unabhängigen Stuhlproben auf Blut untersucht. Die Tests beruhen auf dem Nachweis von Eisen, das Teil des Blutfarbstoffs Hämoglobin ist. Mit dem Hem-Occult-Test können auch nicht sichtbare („okkulte“) kleinste Blutbeimengungen nachgewiesen werden. Der Test ist somit hoch empfindlich, jedoch wenig spezifisch, da viele andere Erkrankungen zu Blut im Stuhl führen können. Trotzdem muss jeder positive Hem-Occult-Test bis zum Beweis des Gegenteils als karzinomverdächtig gelten und zu weiteren Untersuchungen Anlass geben.
Die zweite Säule der Vorsorgeuntersuchung ist die rektale Untersuchung. Dabei tastet der Arzt mit dem Finger den Mastdarm aus, um eventuelle Knoten oder Verhärtungen zu entdecken. Die Maßnahme begründet sich auf die Tatsache, dass ca. ein Drittel der Karzinome im tastbaren Bereich wachsen.
Welche diagnostischen Maßnahmen schließen sich bei auffälligen Ergebnissen in der Vorsorgeuntersuchung an?
Das wichtigste diagnostische Mittel ist die Darmspiegelung, die Koloskopie. Dabei wird eine flexible Glasfaseroptik, das Endoskop, über den After in den Darm eingeführt und bis zum Übergang zum Dünndarm vorgeschoben. Beim Zurückziehen des Endoskops wird dann der gesamte Dickdarm beurteilt. Aus auffälligen Bezirken werden über den Instrumentenkanal des Endoskops Gewebeproben entnommen.
Adenome können sofort mit einer Schlinge abgetragen werden und werden dann ebenfalls einer feingeweblichen Untersuchung zugeführt. Anhand der Gewebeuntersuchung kann dann festgestellt werden, ob es sich um eine gutartige (Adenom) oder bösartige Veränderung (Karzinom) handelt. In unklaren Fällen müssen gegebenenfalls weiter Gewebeproben gewonnen werden.
Bei der Gewebeuntersuchung wurde Darmkrebs festgestellt – wie geht es weiter?
Die feingewebliche Untersuchung gibt nicht nur Aufschluss über Gut- oder Bösartigkeit des Gewebes, gleichzeitig kann noch der Untertyp des Karzinoms sowie dessen Differenzierungsgrad festgestellt werden. Vor allem der Differenzierungsgrad, d.h. in wieweit die Krebszellen noch Eigenschaften gesunder Schleimhaut haben, spielt bei der Prognose und Abschätzung eines Therapieerfolgs eine Rolle.
Nach der Beurteilung der Gewebeprobe erfolgt ein so genanntes „Staging“. Dabei wird das Stadium der Erkrankung festgestellt. Grundlage des Stagings sind drei Kriterien, die mit den Großbuchstaben T, N, und M bezeichnet werden.
T (Tumor) steht dabei für die lokale Ausbreitung des Tumors. T1 bezeichnet dabei eine Beschränkung auf die Schleimhaut, T4-Tumoren haben schon benachbarte Strukturen infiltriert. T2-3-Stadien liegen dazwischen. N0-3 bezeichnet das Ausmaß des Lymphknotenbefalls, und M0-1 das Fehlen oder Vorhandensein von Fernmetastasen, d. h. die Ausbreitung in andere Organe (v. a. Leber) auf dem Blutweg.
Wichtige diagnostische Untersuchungsmethoden sind dabei ein Ultraschall der Leber und eine Computertomografie des Bauchraums. Zusätzlich kann bei tiefen Colonkarzinomen eine über den After eingeführte Ultraschallsonde Aufschluss über lokale Ausbreitung des Tumors in die tiefen und angrenzende Lymphknoten geben.
Durch eine Blutuntersuchung werden auch spezielle Tumormarker bestimmt. Diese können im Verlauf einer Therapie als Erfolgskontrolle herangezogen werden. Sie haben auch Bedeutung in der Nachsorge, indem ihr Ansteigen auf ein erneutes Auftreten der Erkrankung hinweisen kann. Im Rahmen der Vorsorge sind die Tumormarker jedoch aufgrund ihrer zu geringen Empfindlichkeit und Aussagekraft ungeeignet.
Das Staging ist abgeschlossen – es folgt die Therapie
Grundlage der Darmkrebstherapie ist die operative Entfernung des Tumors, um lokale Komplikationen (Darmdurchbruch, Darmverschluss, Infiltration anderer Organe) zu verhindern.
Die Operation muss aufgrund der verzweigten Blut- und Lymphwege des Darms „radikal“ erfolgen, d.h. es müssen großstreckige Darmabschnitte entfernt werden. Eine einfache Ausschälung des Tumors ist unzureichend.
Der entfernte Darmabschnitt wird als ganzes „Paket“ zu einer feingeweblichen Untersuchung gegeben. Dabei werden auch die im Paket enthaltenen Lymphknoten untersucht, so dass das T- und N-Stadium neu beurteilt und gegebenenfalls angepasst werden kann.
Gleichzeitig beurteilt man die Vollständigkeit der Tumorentfernung (Resektion), was mit dem Buchstaben R bezeichnet wird. R2 bezeichnet dabei einen bereits mit bloßem Auge sichtbaren Tumorrest, bei R1-Resektionen sind mikroskopische Tumorreste vorhanden (sichtbar daran, dass der Tumor sich bis an den Rand des Präparats ausdehnt), bei R0-Resektionen kann von einer vollständigen Entfernung ausgegangen werden.
Die Entfernung des Tumors kann in aller Regel unter Erhaltung der normalen Darmpassage (kontinenz-erhaltend) durchgeführt werden. Bei sehr tiefem Sitz mit wenig Abstand zum Schließmuskel (~5 cm) muss aber aus Gründen der Radikalität der Schließmuskel geopfert werden. Diese Patienten müssen dann mit einem künstlichen Darmausgang versorgt werden.
Chemotherapie
Es gibt zwei grundsätzliche Arten der Chemotherapie, die als „adjuvantes und neoadjuvantes Therapieregime“ bezeichnet werden.
Neoadjuvante Chemotherapie
Konzept der neoadjuvanten Chemotherapie ist die Verkleinerung des Tumors und die Verringerung des Lymphknotenbefalls vor einer operativen Therapie. Dieses „Down-Staging“, also die Überführung der Erkrankung in ein niedrigeres Stadium, dient der besseren Operierbarkeit des Tumors. Dadurch kann in manchen Fällen auch ein zuvor nicht kontinenz-erhaltend oder R0-operierbarer Tumor auf ein Maß gebracht werden, das eine vollständige Entfernung unter Erhalt der Kontinenz möglich macht. Zudem scheint ein neoadjuvantes Konzept die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Tumorwachstum im Bereich der Resektionsgrenzen (Lokalrezidiv) verringern zu können.
Adjuvante Chemotherapie
Die Adjuvante Chemotherapie wird im Anschluss an eine operative Tumorentfernung durchgeführt. Die Chemotherapie wird in fortgeschritteneren Stadien bei Lymphknotenbefall oder Vorhandensein von Fernmetastasen unbedingt notwendig, da ansonsten ein Fortschreiten der Erkrankung und ein Lokalrezidiv nicht verhindert werden kann. Die Zielsetzung kann dabei „palliativer“ oder „kurativer“ Natur sein. Eine kurative Therapie erfolgt zur Heilung der Erkrankung. Unter palliativ versteht man eine Therapie, die nicht auf Heilung, sondern auf Lebensverlängerung abzielt.
Sowohl adjuvante als auch neoadjuvante Chemotherapie bedienen sich in erster Linie zweier Medikamente, dem 5-Fluorouracil und der Folinsäure. In neueren Therapien wird auch Irinotecan eingesetzt.
Strahlentherapie
Die Strahlentherapie ist bei der Therapie des Coloncarcinoms von untergeordneter Bedeutung. Sie wird hauptsächlich bei tiefsitzenden Karzinomen eingesetzt, um eine Verbesserung der Operabilität und einer Verminderung der Lokalrezidiv-Wahrscheinlichkeit zu erreichen.
Metastasen
Einzelne Metastasen wurden lange Zeit operativ entfernt. Neuere Erkenntnisse zeigen, dass die Patienten von der manchmal riskanten Metastasenchirurgie nicht profitieren, da die Metastasen von der Chemotherapie erreicht werden. Zudem kann ein Rückgang der Metastasenanzahl und -größe als Marker für den Therapieerfolg herangezogen werden und die Chemotherapie gegebenenfalls angepasst werden.
Wie verhalte ich mich nach erfolgter Therapie?
Nach erfolgter Therapie der Erkrankung kann es je nach Stadium in unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit zu einem erneuten Tumorwachstum kommen (Rezidiv).
Daher sind vor allem in der ersten Zeit nach Abschluss der Therapie engmaschige Nachsorgeuntersuchungen notwendig. Im ersten Jahr empfiehlt sich eine vierteljährliche, später halbjährliche Untersuchungen, nach zwei Jahren kann auf ein jährliches Intervall übergegangen werden. Teil der Untersuchungen sind Koloskopien, Kontrolle der Tumormarker und eine Ultraschalluntersuchung der Leber.
Um mit vielen Vorurteilen aufzuräumen: Darmkrebspatienten müssen prinzipiell keine spezielle Diät einhalten. Auch wenn es von vielen Seiten teilweise abstruse Empfehlungen gibt, so halten diese einer wissenschaftlichen Betrachtung nicht stand. Fastenkuren können sogar schädlich sein, da sie den Körper der Patienten, der aufgrund der Operationen und Chemotherapien ohnehin stark belastet wird, weiter schwächen.
Rehabilitation
Eine Krebserkrankung stellt für den Patienten einen großen Einschnitt dar. Auch die Therapien werden von Betroffenen meist als belastend empfunden, auch wenn sie durch die unterstützenden Maßnahmen der modernen Medizin viel von ihrem Schrecken verloren haben. Eine Anschlussbehandlung wird daher von vielen Erkrankten als wohltuend empfunden und wirkt sich positiv auf Lebensqualität und -einstellung aus. Es gibt Rehabilitationszentren, die sich speziell mit Krebskranken befassen und ein für sie zugeschnittenes Programm bestehend aus Wellness, betreuten Sportgruppen und psychologischer Betreuung anbieten.
Prognose
Die Prognose der Darmkrebserkrankung hängt in erster Linie vom Stadium bei der Diagnosestellung ab. Während in frühen Stadien die 5-Jahres-Überlebensrate zwischen 80 und 90 % liegt, ist vor allem bei bereits vorliegender Metastasierung aber auf unter 20 % zu beziffern.