Kinderkrankheiten

Unter dem Begriff Kinderkrankheiten wird eine Reihe von viralen und bakteriellen Infektionskrankheiten zusammengefasst.

Die meisten dieser Krankheiten können auch Erwachsene betreffen und verlaufen dann oft schwerer als im Kindesalter. Die wichtigsten Kinderkrankheiten sind die Masern, die Röteln, der Mumps, die Diphtherie, die Windpocken, die Poliomyelitis anterior acuta („Polio“), der Keuchhusten, die Ringelröteln und der Scharlach.

Der Begriff „Kinderkrankheiten“ ist historisch begründet. Vor Einführung der Impfungen betrafen die genannten Erkrankungen aufgrund der hohen Ansteckungsrate, der weiten Verbreitung und der nach durchgemachter Erkrankung meist lebenslangen Immunität in der Regel Kinder.

Einige der Krankheiten sind heute aufgrund einer flächendeckenden Impfung sehr selten geworden (Polio, Diphtherie). Gegen andere existiert keine wirksame Impfung (Scharlach, Ringelröteln) oder die Erkrankung ist so harmlos, dass sich eine Impfung nur bei bestimmten Risikokonstellationen empfiehlt (Windpocken), so dass diese Erkrankungen von Kinderärzten häufig beobachtet werden.
Aufgrund einer gewissen Impfmüdigkeit sind Erkrankungen wie die Masern im Vergleich zum letzten Jahrzehnt wieder auf dem Vormarsch. An dieser Stelle sollen einige ausgewählte Kinderkrankheiten kurz vorgestellt werden. Die Röteln und die Diphtherie (Krupp) werden an anderer Stelle besprochen.

Windpocken

Die Windpocken (Varizellen) werden durch das Varizella-Zoster-Virus (VZV) aus der Gruppe der Herpesviren verursacht und durch Tröpfcheninfektion übertragen (Niesen, Husten, Sprechen).
Etwa zwei Wochen nach Infektion kommt es bei nahezu 100 Prozent der Infizierten zu einem mehr oder weniger stark juckenden Hautausschlag am gesamten Körper, auch im Bereich des Kopfes. Die typische Ausschlagsform sind Bläschen mit klarem Inhalt, die unberührt narbenlos abheilen. Bei Aufkratzen der Bläschen bleiben jedoch kleine narbige Krater zurück.
Charakteristisch ist das gleichzeitige Auftreten von Bläschen verschiedener Reifungsstadien, d.h. frische Bläschen werden genauso gefunden wie in Abheilung befindliche. Man spricht bildhaft von „Sternenhimmel“. Bei ansonsten gesunden Kindern verläuft die Erkrankung in der Regel harmlos, wenn die Bläschenbildung nicht durch eine aufgepfropfte bakterielle Infektion kompliziert wird.
Schwerere Verläufe, bei denen es zu Lungenbeteiligung und sehr selten zu Erkrankung des Zentralen Nervensystems kommt, werden gelegentlich bei Erwachsenen beobachtet. In der Frühschwangerschaft kann eine Infektion in einem Prozent der Fälle zu Fehlbildungen des Embryos führen.
Gefährlich sind die Windpocken für immungeschwächte Kinder. So wird die Sterblichkeit bei Leukämie-kranken Kindern, die sich mit Windpocken infizieren, mit bis zu 30 Prozent angegeben. Nach Diagnosestellung wird bei diesen Kindern daher eine Impfung gegen das VZV durchgeführt. Bei anderen Kindern wird die Impfung als nicht notwendig erachtet. Man schätzt, dass die Durchseuchung der Bevölkerung mit VZV bei über 95 Prozent liegt.
Wie die meisten Herpesviren besitzt auch das VZV die Fähigkeit, in den Nervenknoten des Rückenmarks (Spinalganglien) zu überleben und sich so der körperlichen Abwehr zu entziehen.
Kommt es bei VZV-Trägern im Laufe des Lebens zu einer Schwächung des Immunsystems, können die Viren die Ganglien verlassen und sich entlang eines Rückenmarksnervs ausbreiten. Sie verursachen dann das Krankheitsbild der Gürtelrose (Zoster). Die Gürtelrose äußert sich in einer schmerzhaften Rötung des von dem betroffenen Nerven versorgten Hautareals, auf der sich Bläschen bilden. Gefährlich ist der Zoster im Bereich des Auges, der zu einer Hornhauttrübung führen kann, sowie im Bereich des Ohres, bei dem durch Befall des Gesichtsnerven eine Lähmung der Gesichtsmuskulatur droht.
Nach Abheilung des Zosters bleiben bei einem Teil der Patienten Nervenschmerzen zurück, die nur schwer behandelbar sind (Post-Zoster-Neuralgie). Zum Einsatz kommt hierbei gegebenenfalls Carbamazepin.
Die Varizellen bedürfen in der Regel keiner Therapie. Bei Infektion in der Frühschwangerschaft ist eine Gabe spezifischer VZV-Antikörper sinnvoll. Bei Immungeschwächten muss eine Therapie mit Aciclovir, Famciclovir oder Brivudin erfolgen, um die Sterblichkeit zu senken.
Eine Therapieempfehlung gilt in jedem Fall bei Augen- und Ohrenbeteiligung, scheint aber auch bei einfachem Zoster sinnvoll zu sein, da die Wahrscheinlichkeit für eine Post-Zoster-Neuralgie gesenkt werden kann.

Masern

Die Masern werden durch ein Virus aus der Gruppe der Paramyxoviren verursacht.
Das Virus wird durch Tröpfcheninfektion übertragen und ist hochansteckend. Ähnlich wie bei den Windpocken erkranken zudem nahezu 100 Prozent aller Infizierten an Masern. Die Masern verlaufen stets nach einem sehr strikten zeitlichen Muster:
10 Tage nach der Infektion kommt es zunächst durch eine Virusvermehrung in den Schleimhäuten des Nasen-Rachen-Raums zu einem allgemeinen Krankheitsgefühl, Fieber, Husten und Schnupfen. In dieser Phase ist der Patient als hochansteckend zu betrachten. Zwei Tage später entwickeln sich die typischen „Kalkspritzer“-artigen Flecken (Koplik-Flecken) auf der Wangenschleimhaut. Anschließend entwickeln sich weitere zwei Tage später durch Ausschwemmung der Viren in das Lymphsystem und den Blutkreislauf Lymphknotenschwellungen am Hals und ein Ausschlag, der sich vom Kopf aus auf den gesamten Rumpf ausbreitet. Der Hautausschlag geht innerhalb von 5 Tagen wieder zurück.
Wichtige Komplikationen der Masern sind die Lungenentzündung (ca. 1 Prozent der Fälle), die entweder durch das Virus selbst oder eine aufgepfropfte bakterielle Infektion verursacht werden, sowie der Masern-Krupp. Dies ist eine Entzündung des Kehlkopfes, die zu Symptomen wie Heiserkeit, bellendem Husten und im Extremfall zu Erstickungsanfällen führen kann.
Gefürchtet ist das Übergreifen der Maserninfektion auf das Gehirn mit den Folgen einer schweren Gehirnentzündung (Enzephalitis). Die Enzephalitis ist selbst bei optimaler intensivmedizinischer Therapie immer noch mit einer Sterblichkeit von über 10 Prozent behaftet. Heilt sie aus, so bleiben in vielen Fällen mehr oder weniger große Defekte zurück, die zu psychischen Störungen führen.
Eine Sonderform der Masern-Enzephalitis ist die „subakute sklerosierende Panenzephalitis“ (SSPE). Die SSPE tritt nach 5 bis 10 Jahren bei einer von 100 000 Masernerkrankungen auf. Sie gehört zu den „Slow-Virus“-Erkrankungen. Bei ansonsten gesunden Immunsystems kann eine Virusmutante im Körper überleben und nach Vermehrung zu einer Schädigung des gesamten Gehirns führen. Die SSPE verläuft unter dem Bild eines degenerativen Verfalls geistiger und motorischer Fähigkeiten und endet nach einer variablen Verlaufszeit tödlich.
Eine gegen das Virus gerichtete spezifische Therapie existiert nicht, wohl aber eine wirksame Impfung, die einen guten Schutz gegen eine Infektion darstellt. Die Impfung ist auch die einzig wirksame Methode zur Vermeidung der SSPE, die bei geimpften Personen selbst dann nicht auftritt, falls es trotz Impfung zu einer Infektion gekommen ist.

Mumps

Der Mumps („Ziegenpeter“, Parotitis epidemica) wird ebenfalls durch ein Orthomyxovirus verursacht. Im Gegensatz zum Masernvirus ist das Mumpsvirus von vergleichsweise niedriger Ansteckungsgefahr. Auch kommt es nur bei ungefähr drei von vier Infizierten zu Zeichen einer Erkrankung.
Der Mumps äußert sich nach einer bis zu dreiwöchigen Inkubationszeit zunächst in einer meist schmerzhaften Schwellung der Ohrspeicheldrüse, was sich in einer Rötung und Schwellung der Backe bemerkbar macht. Die Schwellung kann dabei so stark sein, dass das Ohr der betroffenen Seite absteht. Die äußere Erscheinung der Erkrankten in diesem Stadium verleitet den Volksmund dann zu folkloristischen Bezeichnungen der Krankheit wie „Wochendippel“ oder „Bauernwetzel“…
Bei nahezu 70 Prozent der Mumps-Erkrankungen kommt es einige Tage später auch zu einer Beteiligung der Ohrspeicheldrüse der Gegenseite. Ein allgemeines Krankheitsgefühl und leichtes Fieber werden regelmäßig beobachtet.
Bei der auftretenden Ausschwemmung der Viren in den Blutkreislauf kommt es bei der Hälfte der Patienten zu einer äußerst gutartig verlaufenden Hirnhautentzündung. Nur in sehr seltenen Fällen greift diese auf das Gehirn über. Ist dies allerdings der Fall, so können Spätschäden in Form von geistigen Behinderungen auftreten.
Gefürchtet ist die Beteiligung des Hodens, wenn die Erkrankung bei Männern und Jugendlichen nach der Pubertät auftritt. Eine solche Hodenentzündung (Mumps-Orchitis) hinterlässt in etwa der Hälfte der Fälle eine Unfruchtbarkeit.
Infektionen anderer Organe (Herz, Leber, Nieren, Gelenke, Bauchspeicheldrüse) sind selten, kommen jedoch gelegentlich vor. Bei Entzündung der Bauchspeicheldrüse wird ein Zusammenhang mit der Entstehung von Typ 1 Diabetes diskutiert.
Eine spezifische Therapie gegen das Virus existiert nicht, so dass die Behandlung symptomatischer Natur ist. Die Orchitis bleibt ein therapeutisches Problem, da sämtliche Versuche sehr unbefriedigende Erfolge zeigten. Aufgrund der Verfügbarkeit und weiten Verbreitung einer wirksamen Impfung ist die Erkrankung jedoch heute in Deutschland eher selten geworden.

Poliomyelitis anterior acuta (Polio)

Das Poliovirus gehört der Gattung der Enteroviren aus der Familie der Picornaviren an. Es wird durch Schmierinfektion, d.h. durch orale Aufnahme von durch Exkremente verunreinigten Nahrungsmitteln übertragen.
Die Polio ist in Deutschland aufgrund der konsequenten Impfung seit mehr als zehn Jahren nicht mehr aufgetreten. In Ländern der Dritten Welt sterben jährlich dagegen noch mehrere zehntausend Menschen an der Erkrankung. Das Poliovirus führt nur in einem von Hundert Fällen nach einer Infektion zu Krankheitssymptomen.
Kommt es zu einer Erkrankung, so steht zunächst eine wenige Tage bestehende, unspezifische Grippesymptomatik im Vordergrund. Bei einem Teil der Erkrankungen folgt auf eine kurzfristige Besserung der Beschwerden eine akute Verschlechterung mit Zeichen einer Hirnhautentzündung wie Nackensteifigkeit, Erbrechen und Lichtscheue (meningitische Poliomyelitis).
Bei 10 Prozent der Erkrankungen (ein Promille der Infektionen) geht die Polio in einen fieberhaften, Verlauf über. Dabei kommt es durch Zerstörung bestimmter Zellen des Rückenmarks oder (seltener) Zellen des Hirnstamms zu Lähmungserscheinungen bzw. Hirnnervenausfällen, die sich quasi über Nacht entwickeln.
Die Sterblichkeit der paralytischen Polio liegt je nach Befallsmuster bei bis zu 30 Prozent. Welche Ausfallerscheinungen nach überstandener Krankheit zurückbleiben, kann erst nach Abflachen der entzündlichen Aktivität (Wochen bis Monate) beurteilt werden, da es bis dahin immer zu spontanen Besserungen kommen kann.
Eine Therapie direkt gegen das Virus existiert nicht. Die Impfung, die heute mit einem inaktivierten Totimpfstoff durchgeführt wird, ist gut verträglich und bietet einen sehr wirksamen Schutz vor der Erkrankung.


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